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11.04.23 –
Antrag
Der Kreisverband Cloppenburg von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt die dringliche Einberufung einer Bundesversammlung nach § 14 Absatz 6 der Satzung des Bundesverbandes. Die Versammlung soll darüber debattieren und beschließen, unter welchen Bedingungen unsere Partei im Rahmen des geltenden Koalitionsvertrags in der Bundesregierung verbleibt und wo „rote Linien“ sind, die wir als Koalitionspartei in der Regierung nicht aufgeben und nicht verhandeln werden.
Begründung:
Die Ergebnisse der Sitzung des Koalitionsausschusses im März 2023 sowie die Diskussionen um verschiedene Sachthemen zeigen, dass wir uns in einer Koalition mit zwei Partnern befinden, deren politische Zielvorstellungen zum Teil weit von unseren entfernt liegen und die erkennbar danach streben, sich in Gegnerschaft zu uns Grünen zu profilieren.
Nach anderthalb Jahren „Fortschrittskoalition“ sehen wir die Notwendigkeit, uns innerhalb der Partei auszutauschen und zu vergewissern, ob die Mitwirkung der Grünen in dieser Koalition in der bisherigen Form zielführend ist oder neu bewertet werden muss. Wir halten eine breite Debatte für unverzichtbar und die Bundesversammlung für das dafür zuständige Gremium.
In dieser Koalition erreichen wir unsere politischen Ziele nicht im erforderlichen Maß. Mit den bisherigen Beschlüssen, insbesondere zum Klimaschutz, können wir das Ziel, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu beschränken, erkennbar nicht erreichen. SPD und FDP haben offenbar beschlossen, uns vor allem als ihre jeweils stärkste Konkurrenz zu attackieren. Sie schieben uns die alleinige Verantwortung für den Klimaschutz zu, um uns dann mithilfe von Durchstechereien, Andeutung falscher Tatsachen und dreisten Lügen zu diskreditieren. Dabei wäre es nötig, dass alle Koalitionspartner gemeinsam daran arbeiten, die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen in der Bevölkerung zu erhöhen. Der Kampf gegen den Klimawandel ist eine gesamtgesellschaftliche Jahrhundertaufgabe. Wir sind überzeugt, dass wir Grüne in einer Koalition, die sich nicht mit vereinten Kräften für den Klimaschutz einsetzt, nur Schaden nehmen können.
Es ist richtig, dass die Menschen beim Klimaschutz mitgenommen werden müssen. Das darf aber nicht bedeuten, Klimaschutzmaßnahmen aufzugeben oder gar nicht erst auf den Weg zu bringen. "Die Menschen mitnehmen" muss bedeuten, dass Klimamaßnahmen sozial abgefedert und verständlich erklärt werden müssen.
Wenn wir die nächsten zweieinhalb Jahre in einer Koalition verbleiben, in der wir für „grüne“ Themen kaum etwas bewegen können, werden viele bisherige Grünen-Wähler*innen bei kommenden Wahlen keinen Grund mehr sehen, uns ihre Stimmen zu geben. Dadurch wird es schwer, in absehbarer Zeit noch einmal in einer Bundesregierung effektiv grüne Politik umsetzen zu können. Auch sind wir überzeugt, dass es nicht reicht, jeweils auf die Koalitionspartner zu zeigen. Wir müssen zwar benennen, warum wir unsere Ziele nicht ausreichend verwirklichen können. Aber stets zu betonen, dass wir gerne mehr erreichen würden, unsere Koalitionspartner aber nicht mitziehen, wird auf Dauer nicht funktionieren und uns schwächen. Die Menschen werden sich dann fragen, warum wir die Regierung eigentlich noch stützen. So kann der fatale Eindruck entstehen, dass Grüne an der Macht kleben.
Daraus ziehen wir den folgenden Schluss: Die Arbeitsweise der Ampel muss sich dringend ändern oder wir müssen sie verlassen.
Es ist nicht unser primäres Ziel, aus der Bundesregierung auszutreten. Stattdessen möchten wir unseren Bundesvorstand und die Bundestagsfraktion für künftige Verhandlungen in der Koalition stärken. Dazu ist es notwendig, dass wir als Parteibasis grüne Kernthemen des Koalitionsvertrags als „rote Linien" definieren, die mit uns nicht verhandelbar sind. Wir wollen nicht nur das grüne Feigenblatt in einer Regierung sein, die erkennbar viel zu wenig für den Klimaschutz leistet. Das unwürdige Gezerre um die Laufzeitverlängerung der Atomkraft und die Entscheidungen zum Braunkohletagebau (Lützerath) haben uns an der Basis bereits viel Sympathie, Vertrauen und Unterstützung gekostet. Mit den Ergebnissen aus dem Koalitionsausschuss machen wir uns als Grüne weiter unglaubwürdig. Die Möglichkeit, eine Koalition zu verlassen, in der wir nicht genug erreichen können, muss eine Option sein.
Das Argument, ohne uns würde noch viel weniger beim Klimaschutz passieren, zieht nicht, da auch mit uns in der Regierung zu wenig passiert. Es kann nicht sein, dass unsere Mitglieder im Koalitionsausschuss ein Papier mit verabschieden, von dem sie selbst hinterher sagen, dass sein Inhalt nicht reicht, um die Klimaziele zu erreichen. Wir erwarten von unserer Parteispitze, dass sie einen solchen Beschluss nicht mitträgt. Wenn sie dazu nicht die Stärke hat, müssen wir ihr als Parteibasis diese Stärke verleihen.
Uns ist bewusst, dass man in einer Koalition Kompromisse schließen muss. Diese müssen aber ausgewogen zwischen den Koalitionspartnern sein. Diese Ausgewogenheit vermissen wir seit längerem schmerzlich. Das Verwässern der Sektorenziele entlässt Teile der Bundesregierung aus der Verantwortung, stärkere Anstrengungen zu unternehmen.
Es kann nicht sein, dass der Koalitionsvertrag offenbar nur für uns gilt. So wird von unserer Bundesebene argumentiert, die Änderung der Sektorenziele sei bereits in diesem vereinbart. Gleichzeitig bleiben grüne Anliegen wie die Finanzierung der Kindergrundsicherung, die ebenfalls im Koalitionsvertrag verankert ist, weiter ungeklärt. Es wird deutlich, dass verschiedene Vereinbarungen im Koalitionsvertrag sprachliche Unschärfen enthalten, die interpretationsfähig sind und daher zu schwer überbrückbaren Konflikten führen.
Wir Grüne haben in der Ampelkoalition für uns schwierige Entscheidungen mitgetragen, weil sie notwendig waren: LNG-Terminals, Waffenlieferungen, det Import von Erdgas aus Katar und Fracking-Gas. Auch die fragwürdige Laufzeit-Verlängerung der letzten drei AKW um dreieinhalb Monate haben wir akzeptiert, obwohl das Kanzler-Machtwort im vergangenen Herbst die grüne Position schwächte. Ganz aktuell stellt die FDP den Atomausstieg erneut in Frage – wieder einmal. Bei der Abschwächung des Klimaschutzgesetzes und dem beschleunigten Ausbau von Autobahnen gibt es diese Entscheidungsnotwendigkeit nicht, weshalb aus unserer Sicht „rote Linien“ überschritten wurden.
Der unübersehbare Unmut in weiten Teilen der Partei macht es aus unserer Sicht erforderlich, sich einer gleichermaßen solidarischen wie kritischen Debatte über Ziele, Inhalte und Möglichkeiten grüner Politik innerhalb einer Ampel-Koalition zu stellen.
Wir wollen mit klaren "roten Linien" unsere Parteispitze und die Bundestagsfraktion bei der Umsetzung des Koalitionsvertrags und bei Nachverhandlungen zum Koalitionsausschuss-Papier stärken.
Beschlossen auf der Kreismitgliederversammlung in Cloppenburg am 5.4.2023.
Siehe auch: https://sonder-bdk.de/
Kategorie
Anträge | Bundespartei | Bundestag | Energiewende | Klimawandel | Presse | Verkehrswende
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