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Die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN und die UWG (Unabhängige Wählergemeinschaft) bilden im Stadtrat von 2021 bis 2026 die Gruppe »GRÜNE/UWG«.
Gruppe Grüne/UWG 2022
v.l.n.r.: Alexandra Kramer, Jutta Klaus, Stefan Benken, Dr. Katja Thieke, Ralph Meyer, Katja Kuhlmann, Michael Jäger
11.12.19 –
Anrede,
auch ich möchte beginnen mit dem Dank an alle, die uns bei der Beratung dieses HH zur Seite gestanden haben, insbesondere natürlich bei Herrn Gentsch. Vielen Dank dafür.
Der BM hat die wesentlichen Kennzahlen des HH erläutert, ich will nicht darauf eingehen. Außer vielleicht mit dem Hinweis, dass wir hinsichtlich der Kreisumlage auch weiterhin hundertprozentig an der Seite des Bürgermeisters stehen, der gegen die Festsetzung des LK Widerspruch erhoben und Klage vor dem VG eingereicht hat. Wir erinnern uns: Es gab eine „Sonderzuwendung“ statt einer Absenkung der Umlage. Durch diesen Beschluss der CDU- Fraktion im Kreis sind wir als Stadt um 330.000,- Euro benachteiligt worden. Das kann und darf so nicht stehen bleiben.
Bevor ich zu unserer Bewertung des HH-Entwurfs komme, muss ich erneut ein paar Anmerkungen zur Haushaltsaufstellung und -systematik machen. Seit 2012 ist das „Neue Kommunale Rechnungswesen“, die sog. „Doppik“, verbindlich. Ziele der Doppik sind neben der Gewährleistung der Generationengerechtigkeit und einer höheren Transparenz vor allem eine verbesserte Steuerung durch die Definition von Zielen und Kennzahlen im Produkthaushalt. Ziele und Kennzahlen sollen so zur Grundlage von Planung, Steuerung und Erfolgskontrolle gemacht werden.
Aus diesem Grund hatte der Rat auf unseren Antrag hin im Dez. 2017 die Einsetzung einer „AG „Produktbuch“ beschlossen, die 2018 in 6 Arbeitsgruppensitzungen mit den Fachleuten der Verwaltung und Mitgliedern der Fraktionen aus insgesamt 82 Produkten 12 als „wesentliche Produkte“ festgelegt und mit konkreten Zielen und Kennzahlen im HH definiert hat. Wir gingen davon aus, dass diese Arbeitsgruppe ihre Arbeit auch 2019 und in den Folgejahren fortsetzt. Denn natürlich müssen die „wesentlichen Produkte“ jedes Jahr neu definiert werden und ihre Inhalte auf den Prüfstand, weil sich Prioritäten und Ziele wandeln und die Produkte entsprechend anzupassen sind.
Genau das allerdings ist in diesem Jahr nicht passiert. Es hat zur Vorbereitung des HH 2020 keine AG getagt. Meine wiederholten Nachfragen im VA wurden mit dem Hinweis abgewimmelt, das könne ja der jeweilige FA im Rahmen der HH-Beratung machen. Wir sagen: Kann er nicht! Alle, die an diesem Produktbuch-Prozess beteiligt waren wissen, wie viel Zeit und fachliche Expertise nötig war, um in sachlicher Arbeitsatmosphäre operative Ziele und Kennzahlen zu vereinbaren. Damit ist jeder Fachausschuss, der den TOP „HH“ ja nur als einen unter vielen abhandelt, völlig überfordert.
So müssen wir feststellen, dass eine inhaltliche Beratung der wesentlichen Produkte erst gar nicht stattgefunden hat. Wir kritisieren das. Denn damit nimmt der Rat seinen Auftrag zur Planung und Steuerung erkennbar nicht wahr. Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, der Nicht-Beratung des Haushalts im Planungsausschuss als Zuhörer beiwohnen zu dürfen, Dieses Durchwinken und Abhaken im FA als „Beratung“ zu bezeichnen, wäre reiner Euphemismus.
Ich will´s an einem Beispiel verdeutlichen – und komme damit auch gleich zu einem uns wichtigen Politikfeld.
Das wesentliche Produkt „Umweltschutzmaßnahmen und Klimaschutz“ benennt die städtischen Klimaschutzziele. Ich zitiere: „Reduktion der CO2-Emissionen um 30% von 2009 bis 2030“. Und: „Erzeugung von 30% Strom aus erneuerbaren Energien bis 2017“. Mal abgesehen von der Frage, wieso hier im HH 30 und nicht 50% steht (wie im Klimakonzept beschlossen): Ich habe kürzlich in einer Beratung mit dem scheidenden Planungsamtschef und der Klimamanagerin gefragt, wie weit wir denn auf unserem Weg zur 30%-igen CO2-Senkung vorangekommen sind und ob denn die Zahl von 30% Strom aus erneuerbaren Energien im Jahr 2017 tatsächlich erreicht wurde.
Man konnte es mir nicht sagen!
Man hat offenbar die Zahlen aus dem Integrierten Klimaschutzkonzept von 2012 einfach reingeschrieben und sich dann um die Evaluation und Erfolgskontrolle nicht weiter gekümmert. Auch würde uns interessieren, welche Schritte bisher eingeleitet wurden, um die im HH benannte Klimaneutralität im städtischen Gebäudebestand bis 2030 zu erreichen. Ich wette, es gibt auch hier kein Monitoring, keine Evaluation, kein Controlling. Ohne das aber, ohne konkrete Schritte mit überprüfbaren Kennzahlen, bleibt das nur inhaltsleere Haushaltslyrik.
Deshalb ist nach unserem Verständnis eine Produktbuch-AG unverzichtbar, die die Inhalte und Ziele aller wesentlichen Produkte regelmäßig überprüft und aktualisiert – was der Ausschuss – wie gesagt - nicht leisten kann. Ich habe inzwischen beantragt, eine Produktbuch-AG für das erste Quartal einzuberufen und hoffe auf dann jährlich wiederkehrende Termine.
Und weil ich gerade schon beim Thema war: Auch sonst ist der HH mit Blick auf den Umwelt- und Klimaschutz völlig unambitioniert und wird den großen Herausforderungen angesichts des dramatischen Klimawandels in keiner Weise gerecht. Ein paar Beispiele:
- Es soll mindestens eine (!) „öffentlichkeitswirksame Aktion zum Thema nachhaltige Mobilität“ durchgeführt werden. Ich vermute, das wird wieder das beliebte „Stadtradeln“. Kann man nichts gegen haben. Nice to have. Hat aber mit ambitionierten, wirksamen Klimaschutzmaßnahmen nichts zu tun. Die allerdings sucht in diesem HH leider vergebens.
- Dann soll das Klimaschutzkonzept von 2012 aktualisiert und fortgeschrieben werden; Ende 2020 (!) soll ein Zwischenbericht (!) vorliegen. Das heißt dann wohl, dass vor 2021 mit einem neuen Konzept nicht zu rechnen ist. Wir können aber nicht warten, bis uns in zwei Jahren neue Handlungsempfehlungen vorliegen. Das ist zu spät, um mit konkreten Schritten zu beginnen. Der Klimawandel wartet nicht. Wir werden uns – und kündigen das hiermit schon mal an – mit weiteren Initiativen für einen deutlich größeren Beitrag der Stadt Cloppenburg zur Begrenzung der Erderwärmung einsetzen.
- Wie dringend notwendig das ist, macht ein drittes Ziel deutlich: Bis zum Sommer 2020 (!) sollen erste Ideen (!) zur Aufnahme von Nachhaltigkeitskriterien in die Beschaffungsrichtlinie der Stadtverwaltung aufgenommen werden. Da wundert man sich doch. „Aufnahme (!) von Nachhaltigkeitskriterien“ bedeutet: Gibt es bisher noch nicht. Wieso nicht? 2012 hatte der Rat das Klimaschutzkonzept beschlossen. Und dabei in einer To-Do-Liste die folgende Maßnahme festgelegt: „Klimaneutrale Stadtverwaltung und Beschaffung“. Zieljahr: 2015!
Ziel angepeilt, Ziel verfehlt.
Und überhaupt: Man muss, wenn man die nachhaltige Beschaffung anstrebt, ja nun wirklich nicht „erste Ideen“ „erarbeiten“! Die gibt’s zuhauf in vielen Kommunen landauf, landab. Beschlossen und umgesetzt. Kann man sich abgucken, im Ausschuss vorstellen und im Rat beschließen. Wenn Sie Hilfe brauchen – gerne, Herr BM.
Anrede,
über alle Parteigrenzen hinweg ist der Klimaschutz ein wichtiges politisches Anliegen geworden. Viel zu spät zwar und zu zaghaft – aber immerhin. Für uns Grüne hat er oberste Priorität – weil uns die Zeit wegläuft und wir nach neuesten Berechnungen des IPCC nur noch 8 Jahre Zeit haben, um in Bezug auf unsere CO2-Emissionen die Vollbremsung einzuleiten. Die Fortschreibung unseres Integr, Klimasch.konzepts kann dazu einen kleinen – aber wichtigen - Beitrag leisten. Wir begrüßen das. Nur darf das nicht wieder so laufen, wie 2012, als in 16 Workshops Maßnahmen und Pläne zur zeitlichen Umsetzung erarbeitet wurden, diese in ein 150 Seiten starkes Konzept eingebunden, vom Rat einstimmig beschlossen und mit allerlei Tamtam öffentlich verkündet wurden - um dann in der Versenkung zu verschwinden!
Kaum eine der beschlossenen Maßnahmen wurde tatsächlich umgesetzt. Und eine Erfolgskontrolle, ein regelmäßiges Controlling hat – obwohl Teil des beschlossenen Konzepts – niemals wirklich stattgefunden. Da – das muss man ehrlicherweise eingestehen – hat nicht nur die Verwaltung nicht geliefert, sondern haben auch wir als Rat nicht genügend hingeschaut und Forderungen gestellt.
Es mag auch daran gelegen haben, dass die personellen Ressourcen im Rathaus nicht ausreichen. Wir haben uns nun zunächst mit dem BM geeinigt, dass unsere Klimaschutzmanagerin künftig mit 100% ihrer Arbeitskraft in diesem Bereich eingesetzt wird, was bislang nicht der Fall war. Ob das ausreicht, wird sich schon bald zeigen. Wir sind skeptisch. Vermutlich werden wir künftig mindestens eine weitere Stelle brauchen.
Was wir aber künftig vor allem brauchen ist, dass von Rat und Verwaltung die großen Herausforderungen erkannt und mit Ernsthaftigkeit schnelle und konkrete Schritte vorangetrieben werden. Da muss sich etwas ändern!
An uns soll´s nicht scheitern. Die Zögerer und Bremser sitzen im Lager der Mehrheitsgruppe - wie wir gerade heute wieder an ihrer Haltung zum Tropenholzverzicht sehen konnten. Ihnen, werte Kolleg*innen von CDU, Zentrum und FDP, möchte ich ein Zitat von Mojib Latif, dem Klimaforscher und letztjährigem Festredner auf unserem Neujahrsempfang, ins Stammbuch schreiben: „Es ist eine tragische Entwicklung, dass der Klimaschutz in der aktuellen Politik so wenig Gewicht hat. Sollte Deutschland die Energiewende im derzeitigen „Schneckentempo“ fortsetzen, wird es auch seine Klimaschutzziele für das Jahr 2030 verfehlen.“
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Anrede,
ein sehr großer Teil dieses Haushalts findet gleichwohl unsere ungeteilte Zustimmung. Ich erspare mir (und uns) die lange Aufzählung aller geplanten Investitionen im Schulbereich, in der Kinderbetreuung, für die Feuerwehr, für den Sport, die Kläranlage oder den Jugendtreff, der nun hoffentlich im 3. Quartal öffnen kann. Ich will auch nicht eingehen auf die wichtigen und unverzichtbaren Zuschüsse für Kulturträger, Bildungseinrichtungen, Krankenhaus, Wirtschaftsförderung oder zur Förderung des Sports oder der Jugendarbeit. Wir begrüßen natürlich, dass weiter in den Ausbau und die Verbesserung des Radwegenetzes investiert werden soll. Und wir sind beruhigt, dass die von uns abgelehnte Totalversiegelung des Marktplatzgeländes erneut verschoben wurde. Dieser Haushalt ist in weiten Teilen eine solide Grundlage für eine gute und richtungsweisende Entwicklung der Stadt.
Wäre da nicht der von der Stadt geforderte und unterstützte Ausbau der E 233 zur 4-spurigen Autobahn, durch die das künftige Verkehrsaufkommen (nach offiziellen Angaben) um täglich 6.000 Fahrzeuge mehr als heute erhöht wird und mit seinem erheblichen Flächenbedarf weitere Naturräume zerstört und die Preise der knappen Böden weiter in die Höhe treibt.
Und wäre da nicht der Bau der geplanten Südtangente, für die das Planungsverfahren bis Ende 2020 zum Abschluss gebracht werden soll und die unserer Ansicht nach - wie auch nach der der Fachplaner - keine wirkliche Entlastung der Innenstadt bringt: lediglich 9,1 Prozent der innerstädtischen Verkehre können auf die Südtangente „umgeleitet“ werden. Alle übrigen blieben als Quell- und Zielverkehre der Innenstadt weiterhin enthalten. Nein, wir brauchen nicht noch mehr Straßen, sondern neue Formen der Mobilität. Und zwar schnell!
Dazu gehört dann auch, dass Fußgänger und Radfahrer an Ampeln nicht länger benachteiligt sondern – wie von uns bislang vergeblich gefordert – parallel zum Kfz-Verkehr geführt werden. Nur so schafft man ein fahrradfreundliches Klima und würde dem Anspruch „Auf dem Weg zur Fahrradstadt“ - zumindest ein bisschen - gerecht.
Wir nehmen zur Kenntnis, dass für stolze 12 Mio. Euro Landkäufe getätigt werden sollen (insbesondere für Gewerbeflächen). Nun wissen wir auch, dass in einer wachsenden Stadt auch immer wieder Flächen benötigt werden. Allerdings muss der Grundsatz des sparsamen Umgangs mit der Ressource „Boden“ gelten. Das Bundesumweltministerium schreibt dazu: „Täglich werden in Deutschland rund 58 Hektar als Siedlungsflächen und Verkehrsflächen neu ausgewiesen. Fläche ist – wie auch der Boden – eine endliche Ressource, mit der der Mensch sparsam umgehen muss, um sich seine Lebensgrundlagen zu erhalten. Flächenverbrauch ist ein schleichendes Phänomen. Bürger und selbst politische Entscheidungsträger nehmen es kaum wahr. Daher mangelt es weithin am nötigen Problembewusstsein.“
Die Bundesregierung will den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2030 auf unter 30 Hektar pro Tag verringern, bis 2050 (was viel zu spät ist) strebt sie das Flächenverbrauchsziel Netto-Null an. Wir tun also gut daran, über Alternativen nachzudenken, und nicht immer wieder und immer weiter neue Flächen anzukaufen und zu bebauen.
Und noch einen letzten Punkt möchte ich ansprechen: Der VA hat gegen unsere Stimme die Errichtung eines sog. „Soestepolders“ auf der Niederungsfläche hinter dem Kaufland-Gebäude beschlossen. Ein halbe Mio. sind dafür in den HH eingestellt. Nun haben wir nichts dagegen, dass zusätzlicher Stauraum für Niederschlagswasser geschaffen werden soll. Wir haben aber etwas dagegen, dass dafür ein innerstädtischer Bruchwald abgeholzt wird – nach unserer Kenntnis der letzte verbliebene im Stadtgebiet. Ein letztes Stück sich selbst überlassener Natur, Refugium für Pflanzen und Kleinlebewesen, denen nunmehr die Lebensgrundlage entzogen wird.
Wir verstehen den wasserbau-technischen Sinn. Wir verstehen nicht, dass Naturschutz und städtisches Kleinklima für unsere Planer offenbar noch immer überhaupt keine Rolle spielen. Da hilft auch die Zusicherung wenig, den Bereich künftig „naturnah“ zu gestalten und für „den Bürger erlebbar“ zu machen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Grundstücksverhandlungen scheitern oder die Untere Naturschutzbehörde ihren Job macht.
Anrede,
ich habe den Schwerpunkt meiner Ausführungen auf den Bereich Klimaschutz gelegt – weil die Aufgaben, vor denen wir stehen, geradezu erdrückend sind. Gerade weil die Bundesregierung mit ihrem wirkungslosen Paket so kläglich versagt, müssen wir, die Städte und Gemeinden, unsere Anstrengungen umso mehr erhöhen.
Dieses Haushalt leistet das leider nicht, ist zu wenig ambitioniert und erfüllt unsere Ansprüche an eine engagierte Politik zum Schutz des Klimas und der Ressourcen nicht.
Wir müssen ihn in dieser Form ablehnen.
Michael Jäger
9. 12. 2019
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